Abschiebungen im Winter: Warum grün mitregierte Länder keinen Stopp verhängen wollen

In einer jüngst veröffentlichten Umfrage1 begrüßt eine deutliche Mehrheit von 66 Prozent der Deutschen einen Abschiebestopp von Refugees im Winter, unter den grünen Anhänger*innen sind es sogar knapp 90 Prozent. Die von linken grünen mitregierten Bundesländer Thüringen2 und Schleswig-Holstein3 handeln entsprechend und haben einen Stopp für Abschiebungen in Staaten verkündet, in denen Abgeschobene besonderer Kälte ausgesetzt sind. In Rheinland-Pfalz wurde ebenfalls ein derartiger Erlass für mehr als zehn Staaten rausgegeben.4 Alle anderen Bundesländern, inklusive der anderen vier grün mitregierten Landesregierungen in Hessen, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen, sehen das allerdings anders und lehnen einen Winter-Abschiebestopp ab. Ein kurzer Blick in die Argumentationen.

Abschiebung Anfang Dezember: Refugees werden am Karlsruher Flughafen in ein Abflugterminal geführt

Anfang Dezember war ein Flugzeug von Baden-Württemberg aus in Richtung Balkan gestartet und hatte 83 Refugees nach Serbien und Mazedonien abgeschoben. Ausgerechnet in zwei der Staaten, in die mit Zustimmung des grün regierten Baden-Württembergs seit zwei Monaten leichter Abschiebungen möglich sind. Im Rahmen dieser Sammelabschiebung erklärte der Ministerpräsident Winfried Kretschmann, ein genereller Winterabschiebestopp komme für ihn nicht in Frage. Für ihn gelte das Prinzip der Einzelfallprüfung, denn wenn jemand im Zielland eine Wohnung habe, „gäbe es keinen Grund, ihn nicht abzuschieben“, sagte er.5

Ähnlich sehen es offenbar die Grünen in Hessen. Nachdem die Fraktion der Linken im dortigen Landtag einen Antrag6 eingebracht hatte, mit dem Abschiebungen in 15 Staaten für die Winterzeit ausgesetzt werden sollten, brachte die Landesregierung einen Gegenantrag7 ein. In diesem lehnten die Fraktionen von CDU und Grünen einen Abschiebestopp ab und stellten fest, dass die Ausländerbehörden „sensibel überprüfen“, ob eine Abschiebung ausgesetzt werden könne. Außerdem würde bei den Prüfungen die „jüngste Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) und des Bundesverfassungsgerichts“ in Bezug auf die Winterabschiebungen Beachtung finden.8

Auch in Niedersachsen wird nach diesem Muster argumentiert. „Die niedersächsische Regelung aus dem letzten Jahr hat sich bewährt“, sagte laut verschiedener Medien ein Sprecher des Innenministeriums. Demnach sollen die Ausländerbehörden angehalten sein, „jeden Einzelfall in Anbetracht der kälter werdenden Temperaturen noch sorgfältiger nach humanitären Gesichtspunkten zu prüfen“, wie er weiter zitiert wird. Dennoch wollte er keine Garantie dafür geben, „dass zum Beispiel Roma nicht bei Schnee und Eis in irgendwelchen notdürftig zusammengezimmerten Hütten landen“.9 10

In Nordrhein-Westfalen sieht die Situation genauso aus. Laut verschiedener Medien sollen auch hier „die Ausländerbehörden für die Situation von Minderheiten wie Roma per Erlass besonders sensibilisiert worden“ sein. „Jeder Einzelfall werde sorgfältig geprüft, um den besonderen Bedürfnissen der Menschen Rechnung zu tragen.“ 11

Druck von konservativer Seite Abschiebungen nicht auszusetzen

Laut einem Bericht der taz übt das von de Maiziere geführte Bundesinnenministerium massiven Druck auf die Bundesländer aus, keinen Abschiebestopp im Winter zu verhängen. Ein Vertrauter aus dem Umfeld des niedersächsischen SPD-Innenministers Boris Pistorius soll gesagt haben:„Wir können überhaupt keinen Winter-Abschiebestopp verhängen. Dann müssten wir auf millionenschwere Bundesförderung verzichten.“ In einem Brief aus dem Bundesinnenministerium an das Innenministerium von Schleswig-Holstein wirft de Maiziere dem Bundesland vor, es „rühre mit dem Abschiebestopp ‚an der Geschäftsgrundlage für die vereinbarte Unterstützung der Länder durch den Bund‘. Im Gegenzug für die Zustimmung zum Asylkompromiss im Bundesrat hat der Bund den klammen Ländern und ihren Kommunen 2014 und 2015 jeweils 500 Millionen Euro an zusätzlichen Mittel in Aussicht gestellt. Sollten einzelne Bundesländer einen Abschiebestopp im Winter verhängen, droht de Maiziere laut des Briefes mit dem Ende der Zahlungen. Führen sie dagegen die Abschiebungen weiter durch, ist ihnen das Geld sicher. Nicht umsonst übertitelt die taz einen entsprechenden Artikel mit den Worten „Geld statt Haltung“.12

BDK14 der Grünen: Bist du noch einfach Mitglied oder protestierst du schon?

Morgen beginnt die Bundesdelegiertenkonferenz (Parteitag) der Grünen in Hamburg. Nachdem das Bundesland Baden-Württemberg der Großen Koalition im Bundesrat mal eben geholfen hat, das Recht auf Asyl zu beschneiden, sieht alles danach aus, dass der Großteil der Partei diese Zäsur grüner Politik geflissentlich übergehen möchte. Die einen, weil sie es gut fanden, die anderen, weil sie es nicht für taktisch klug halten Kritik anzubringen. Dabei scheint es niemanden so richtig zu stören, wenn die Partei langsam aber sicher immer mehr einen konservativen Weg einschlägt. Ich bin gerne dazu bereit über Themen und Punkte zu reden – aber ich hab auch das dringende Bedürfnis mein Missfallen kundzutun, wenn…

– eine Position in der Partei nicht ausreichend kritisiert wird, die das Recht auf Asyl nachhaltig beschneidet…
– Grüne meinen, man müsse mehr Rücksicht auf die Wirtschaft nehmen. Ich finde nämlich, gerade die steht leider schon viel zu sehr im Mittelpunkt der Politik…
– Ökologie nicht mehr als Teil einer emanzipatorischen Politik gedacht wird…
– der Kontakt zu außerparlamentarischen Bewegungen immer mehr verloren geht, während sich konservativen Parteien angenähert wird…
– die Art wie unsere Gesellschaft funktioniert nicht mehr vom Grundsatz her in Frage gestellt wird und Alternativen dazu nicht ernst genommen werden…
– etc. pp.

Da möchte ich doch allen Menschen innerhalb der Grünen mal die Frage stellen:

protestierst du schon

 

Räumung der Refugees in der Ohlauer: Wenn zwei sich streiten, freut sich die CDU

In Kreuzberg steht der Konflikt zwischen den protestierenden Refugees und der örtlichen Politik erneut kurz vor der Eskalation. Am letzten Freitag endete die vom mehrheitlich grün regierten Bezirk gesetzte Frist, zu der die in einer ehemaligen Schule lebenden Refugees das Gebäude verlassen sollten. Gehen sie nun nicht, will der Bezirk sie mithilfe der Polizei räumen lassen. Beide Seiten können in diesem Konflikt nur verlieren, während ausgerechnet eine Partei davon profitiert, die als ausgesprochener Gegner*in der Refugeeproteste gilt: die konservative CDU mit ihrem Innensenator Frank Henkel.

Kreuzberg steht bei einer erneuten Räumung der Refugee-Schule eine weitere Blockade durch die Polizei bevor // CC-BY-SA Martin Winkler

Seit Tagen macht die linke Szene mobil gegen die Ankündigung des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg 45 Refugees notfalls mithilfe der Berliner Polizei aus ihrer Unterkunft in der ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule in der Ohlauer Straße zu räumen. Die Schule ist Symbol des Refugeeprotestes und nach der Räumung des Oranienplatzes das letzte große Mahnmal der Bewegung.

Die Bürgermeisterin des Bezirks, Monika Herrmann, gesteht ein, dass sie und der Bezirk überfordert mit der Besetzung seien und sich deshalb gezwungen fühlten, das Gebäude zu räumen. Der Bezirk könne die Kosten nicht mehr tragen und das Problem der Sicherheit sei einfach nicht in den Griff zu kriegen.

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Für Grüne ist das Leben von Schweinen nur Vorstufe zu ihrer Bestimmung als Würstchen

Auf der Facebook-Seite des Bundesverbandes der Grünen Partei prankt ein großes Banner. Darauf zu sehen sind ein paar junge Schweine, darüber ein Spruch: „Für ein Leben vor dem Würstchen“.

LebenvorWürstchenFB
Wahrscheinlich soll dieses Banner Werbung für eine artgemäße Haltung von Nutztieren machen und wahrscheinlich auch dafür, dass Tiere nicht nur Stückgüter sind, die produziert, gelagert und verarbeitet werden. Tatsächlich aber sagt es genau das: Das Leben von Schweinen ist nur eine Vorstufe zu ihrer eigentlichen Bestimmung, dem „Sein“ als Würtstchen.
Schweine werden nicht als Individuen wahrgenommen, die sie unverkennbar sind, sondern als Produktionsmittel, das früher oder später eben verwurstet gehören. Wir erlauben ihnen zwar vorher ein richtiges Leben zu haben und bringen sie erst dann um, verarbeiten sie zu Würstchen und essen sie auf, aber im Endeffekt betrachten wir Schweine genauso als zu verarbeitende Ware, wie alle anderen auch.

Dass die meisten Grüne so schon immer gedacht und gelebt haben, ist an sich schon nicht cool. Dass die Grünen aber so unverhohlen Lebewesen zur essbaren Ware degradieren und damit auch noch Werbung machen ist selbst für eine ökologische Fleischkonsum-Partei starker Tobak. Es zeigt nur wie weit entfernt sich die Grüne Partei davon befindet, Tiere als fühlende Individuen zu betrachten.

Wir brauchen gar nicht erst lange in Fachliteratur oder sonstigen Publikationen zu suchen, um dem etwas entgegenzusetzen. Es reicht ein Blick in das aktuelle Grundsatzprogramm der Partei. In diesem heisst es nämlich auf Seite 40:

tierebrauchen

Wie passt das denn jetzt mit dem oben abgebildeten Banner zusammen? Genau, gar nicht.

Protest trifft Partei – Besuch von Refugee-Demo bei Grünen Xhain

Zwei der Refugees beraten sich vor der Versammlungsleitung // CC-BY-SA-NC greenythekid

Zwei der Refugees beraten sich vor der Versammlungsleitung (Handyaufnahme) // CC-BY-SA-NC greenythekid

Gestern hielten die Grünen Friedrichshain-Kreuzberg ihre Sonder-Mitgliederversammlung ab, auf der die Zukunft der Gerhart-Hauptmann-Schule besprochen werden sollte. Zu Anfang gaben Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann und Bezirksstadträting Jana Borkamp fast eine Stunde lang Erklärungen zu den Ereignissen rund um den Oranienplatz und die Schule ab und erläuterten die gegenwärtigen Bedingungen. Anschließend vermengte sich die Frage- mit der Diskussionsrunde, eine klare Haltung der Bezirksgruppe zur Schule ließ sich nicht erkennen.

Gegen 22 Uhr erschien dann eine Demonstration vor dem Ort der Versammlung. Anlass dafür war die Festnahme eines Refugees am Nachmittag aus der Schule, die Demonstrierenden verlangten dessen Freilassung. Ein paar Refugees und Unterstützende gelangten in die Versammlung, der Großteil blieb davor und skandierte Parolen und Sprüche. Die Polizei sicherte den Eingang zum Versammlungsort.

Refugee spricht zur Bezirksgruppe // CC-BY-SA-NC greenythekid

Refugee spricht zur Bezirksgruppe (Handyaufnahme) // CC-BY-SA-NC greenythekid

Die Grünen übergaben einem Refugee das Mikrofon, dieser erzählte von der Festnahme und bat um Unterstützung. „Wir sind nicht hier um Ärger zu machen, wir sind keine Kriminellen.“, sagte er vor der Versammlung. Anschließend erläuterte die grüne Abgeordnete aus dem Abgeordnetenhaus Canan Bayram die Hintergründe der Festnahme und berichtete von ihrem Gespräch mit der Polizei. Diese habe ihr mitgeteilt, dass der Refugee am heutigen Tage wieder freigelassen werden soll. Danach ging die Debatte, teilweise mit harten Wortgefechten, weiter.

Es war das erste Mal, dass Refugees, Unterstützende und die Mitglieder der Partei zusammen gesessen haben. Es war das erste Mal, dass nicht nur Mitglieder aus dem Bezirksamt, des Gemeinsamen Ausschusses oder der Bezirksverordnetenversammlung des Kreisverbandes sich mit den Menschen aus der Schule unterhielten, sondern auch Mitglieder aus der Basis. Anwesende Refugees und Unterstützende verhielten sich die gesamte Zeit über ruhig und unterbrachen die Sitzung an keiner Stelle.

Canan Bayram erläutert das Gespräch mit der Polizei // CC-BY-SA-NC greenythekid

Canan Bayram erläutert das Gespräch mit der Polizei (Handyaufnahme) // CC-BY-SA-NC greenythekid

Erst als Monika Herrmann auf Nachfrage hin das aktuelle Besuchsverbot in der Schule untermauerte, verließen Refugees und Unterstützende die Versammlung. Einzelne Grüne brachten einen Mediationsprozess und eine extra Arbeitsgemeinschaft des Kreisverbandes für die Ohlauer zur Sprache, andere wiederum forderten konsequent, dass die Schule leer sein soll. Am Ende der Sitzung diskutierten Grüne und Unterstützende vor dem Ort weiter, es wurde ab und an laut, insgesamt blieb es aber respektvoll.

Blick in die Versammlung // CC-BY-SA-NC greenythekid

Blick in die Versammlung // CC-BY-SA-NC greenythekid

Ich wünsche mir, dass von den Grünen mehr und breiter angelegte Impulse Richtung Refugeeprotest ausgehen und wieder mehr Unterstützung gezeigt wird. Es braucht auch wieder mehr Mut, ungewöhnliche Entscheidungen zu treffen und Ideen zu entwickeln – ungewöhnliche Maßnahmen benötigen ungewöhnliche Entscheidungen.
Allerdings sind auch die Landespartei und andere Bezirke gefragt – das Engagement kann nicht bei einem einzelnen Kreisverband hängen bleiben, es braucht die gesamte Partei dazu. So wie die Debatte in der Kirche und nun auch bei den Gewerkschaften angekommen ist, so sollte es in die Grüne Partei hineingetragen werden, sonst sind alle Beschlüsse bloße Makulatur. Mit mehr Engagement lassen sich die rückwärtsgewandten Entscheidungen von der letzten LDK in Berlin vielleicht auch wieder gut machen.
Ich wünsche mir aber auch von Protestseite mehr Bereitschaft zu Kompromissen. Statt den Druck einseitig auf Grüne und den Bezirk abzuladen, wie ich es selbst auch getan habe, sollten wieder vermehrt die in den Blick genommen werden, die wirklich daran Interesse haben, dass die Zustände so bleiben, wie sie sind: Henkel und seine CDU und eine rechtslastige SPD. Deshalb zusammenkommen, zusammen überlegen und gemeinsam kämpfen!

Wer Emanzipation liebt,wird den #lpt142 nicht mögen – Bericht vom Grusel-Parteitag der Berliner Grünen

Die Grünen sind nicht mehr die Protestpartei, die sie einmal versucht haben zu sein. Deutlich wurde das auf der Landesdelegiertenkonferenz der Grünen in Berlin vom letzten Wochenende. Zwar haben während der Rede von Cem Özdemir Mitglieder der Partei eine deutliche Protestaktion gewagt, allerdings kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass es am Ende der Konferenz nicht einmal dafür gereicht hat, das Verhalten von Kretschmann bei der Abstimmung im Bundesrat zum Asylkompromiss zu kritisieren. Aber der Reihe nach.

Polizeischutz vor der Grünen Versammlung. Dieser war allerdings ganz selbstständig vorgefahren // CC-BY-SA-NC greenythekid

Die Stimmung war bereits im Vorhinein angespannt. Vor dem Konferenzort hatten sich Polizeiwagen eingefunden, da die Berliner Polizei ein Potential für Störungen und Proteste von Außen befürchtete. Der Landesvorsitzende der Grünen Berlin machte später deutlich, dass die Einsatzkräfte nicht auf Wunsch oder Einladung der Partei vorgefahren waren. Dennoch blieben sie über fast die gesamte Zeit vor dem Versammlungsort. Aktivist*innen hatten auf der gegenüberliegenden Seite des Eingangs des Konferenzortes Grünen-kritische Plakate angebracht. Diese ließ die Parteispitze aber noch vor Beginn der Versammlung entfernen.

Als dann die Konferenz startete, übergaben die Landesvorsitzenden Aktivist*innen von alternativen Freiräumen das Mikrofon. Sie verteilten vor dem Eingang der LDK Zettel, in denen sie das Verhalten des grünen Oberbürgermeisters von Freiburg kritisierten. Dieser hatte den Wagenplatz der dortigen Gruppe „Sand im Getriebe“ dicht gemacht und deren Bauwägen beschlagnahmt. Die Versammlung drückte den Aktivist*innen ihre Solidarität aus, diese sammelten im Anschluss daran noch Unterschriften.

Kurz nach dem Start bildete die Rede von Cem Özdemir den ersten Höhepunkt. Für mich lag das aber weniger an der Rede selbst, als an den Grünen Parteimitgliedern, die Flyer verteilten und anschließend, während Cem sprach, Schwarz-Grüne Luftballons zum Platzen brachten. Ausserdem entrollten sie direkt über der Bühne ein Transparent, mit dem sie den Asylkompromiss kritisierten. Mehr zu dieser und künftigen Aktionen lässt sich unter http://www.gruener-gegenwind.de finden.

https://twitter.com/gegenwind_gruen/status/520878952202924032

Jein zu Olympia – Wir wollen den Misserfolg mitgestalten

Mit Ausnahme dieser Aktionen war allerdings der Rest der Versammlung von großer Visionslosigkeit geprägt. Die Grünen verabschiedeten zwar einen umfangreichen und  in meinen Augen kompetentes Antrag zur Bürger*innenbeteiligung, entfernten sich aber gleich darauf in der Olympia-Debatte von den Ansätzen einer emanzipatorischen Politik. Eine Mehrheit der Konferenz wollte eine Bewerbung nicht gänzlich ausschließen und definierte für sich Bedingungen, unter denen eine Olympia-Bewerbung Berlins stattfinden könne. Als Begründung für diese Entscheidung war vor allem die Angst formuliert worden, dass man keinen mitgestaltenden Einfluss mehr auf die Geschehnisse mehr nehmen könne, wenn man einer Bewerbung von vorneherein eine Absage erteilt. Tempelhof und Asylkompromiss scheinen der Partei immer noch nicht gezeigt zu haben, dass eine „Mitgestaltung“ ohne eine klare Haltung, noch dazu in Zusammenarbeit mit einer Großen Koalition, zwangsläufig zu einem Misserfolg führen müssen. Davon abgesehen, lässt sich mit einer Ablehnung natürlich sehr wohl auch noch Einfluss nehmen. Zum Einen in Zusammenarbeit mit den zivilgesellschaftlichen Gruppen der Stadt, die sich ebenfalls für ein Nein einsetzen und zum Anderen kann Kritik natürlich immer noch angebracht werden. Nur weil beispielsweise die Grünen von Anfang an die Atomkraft abgelehnt haben, konnten sie sich ja trotzdem an der Debatte um eine Endlagersuche beteiligen.

Die Entscheidung war falsch. Die vergangenen Jahrzehnte haben gezeigt, dass das IOC keine Institution ist, der man Vertrauen schenken sollte.

Refugeeproteste: Bashen gegen Unterstützer*innen statt für Refugees zu kämpfen

Blick in die Versammlung: Refugeeproteste an sich gut finden, aber nur halbherzig unterstützen // CC-BY-SA-NC greenythekid

In der darauf folgenden Debatte zur Flüchtlingspolitik entfernten sich die Berliner Grünen noch weiter vom Standpunkt einer alternativen Politik. So war es der Versammlung außerordentlich wichtig darzustellen, dass der Refugeeprotest „von einigen Akteuren genutzt wird, um gegen den Staat und seine Institutionen zu agieren.“
Ganz ehrlich, ein Protest für Menschenrechte, die von staatlicher Seite gebrochen werden, ist im Kern bereits darauf angelegt, gegen den Staat und seine Institutionen zu agieren. Wer das nicht verstanden hat, hat das Wesen von Protesten nicht verstanden. Weiter heisst es: „Dabei entsteht der Eindruck, dass es einigen sogenannten „Unterstützern“ nicht um die Flüchtlinge geht. Mit grüner Politik hat das nichts zu tun. Für uns stehen die Menschen und ihre konkreten Bedürfnisse im Mittelpunkt.“
Es tut mir leid, aber die Grünen tun sich im aktuellen Protest nicht wirklich als Partei hervor, die den Protest oder die Refugees unterstützt. Auf der letzten BDK hatte sich die Partei eine Handvoll Refugees eingeladen. Unter Tränen erzählten sie ihre Geschichte. Ein paar Wochen später hatte es die Partei mitbewirkt, dass genau diese Refugees ihr eigenes Camp auf dem Oranienplatz abreissen. Wieder ein paar Wochen später hatte der Senat diese dann auf die Straße gesetzt. So richtig eingesetzt für die Refugees haben sich dann aus der Partei auch nur wenige. Augen auf, die Partei wird vom Protest und der in dieser Hinsicht interessierten Öffentlichkeit als Verräter*in der Proteste wahrgenommen, nicht als deren Unterstützer*in! Überlegt bitte, mit wem sich die Refugees treffen, mit wem sie reden und mit wem sie ihre Aktionen planen – ganz sicher nicht mit der grünen Partei, so sieht keine an die konkreten Bedürfnisse ausgerichtete Politik aus.
Und in einem Antrag, der Refugees supporten soll, noch einmal einen Seitenhieb gegen eine andere Gruppierung der Bewegung zu setzen, stellt definitiv keine Unterstützung für den Protest dar. So ist es dann auch nur konsequent, dass der Antrag sich nicht für den Protest ausspricht oder sich noch für dessen Ziele einsetzt. Monika Herrmann erklärt sogar unverblümt am Mikrofon, dass der Protest vorbei sei und Henkel niemals eine Anwendung des Paragraphen 23 umsetzen würde.

„Ich finde den ‚Kretschmann’schen‘ Kompromiss richtig“

Schwarz-Grün war zumindest symbolisch geplatzt. In den Reden lebte es aber leider weiter // CC-BY-SA-NC greenythekid

Dass sich dieser Eindruck leider auch mit der Parteistimmung deckt, zeigt dann auch die Debatte um den letzten Antrag. Die LAG Migration hatte eine Resolution als Reaktion auf den Asylkompromiss verfasst. Die Versammlung strich, nach hitziger Debatte, eine Passage im Text, in der Winfried Kretschmann für seine Entscheidung im Bundesrat kritisiert wurde. Die Begründung lautete, dass „der Winfried alles gibt“ und man seine Redlichkeit in der Asylpolitik nicht in Frage stellen sollte. Einzelne betonten sogar die Qualität der Entscheidung und fanden sie gut. „Ich muss auch sagen, dass ich den Kretschmann’schen Kompromiss auch aus Berliner Sicht richtig finde.“, wie zum Beispiel eine besonders prägnante konservative Figur der Landespartei sagte.

Herabwürdigender und arroganter kann eine Partei praktisch nicht mehr auf eine Protestbewegung und eine Zivilgesellschaft herablicken. Seit Monaten liefen Initativen und Protestgruppen gegen das Vorhaben Sturm, Gruppen von Sinti und Roma, als auch alle anderen Refugeegruppen. Wer an der Stelle meint, dass die Meinung der Betroffenen falsch sei, legt genau die chauvinistische Verhaltensweise an den Tag, gegen die die Grünen eigentlich mal zu Felde gezogen sind. Das ist nur noch unverschämt.

Fazit: Viel reaktionäre Politik, aber auch viel Raum für interventionistische Aktionen

Der Parteitag hat zumindest offen gezeigt, wie die Grenzen bei den Berliner Grünen verlaufen und wie die Verhältnisse verteilt sind. Reaktionäres Politikverständnis erfreut sich mehrheitlicher Beliebtheit in der Landespartei. Statt Mut zur Alternative zu zeigen, verkrochen sich die Delegierten hinter opportunistischen Entscheidungen und wenig kontroversen Inhalten. Wer sich die Grünen in Zukunft noch näher an CDU und SPD wünscht, konnte vom Landesparteitag voll zufrieden gestellt werden. Wer aber für einen Wandel in einer Gesellschaft streitet, in der immer noch unbeachtet Menschenrechte verletzt werden und chauvinistische Verhaltensmuster wie selbstverständlich gepflegt werden, der konnte von den Grünen an diesem Tag nur enttäuscht sein.

Es gilt die emanzipatorischen Kräfte in der Partei  zu stärken und für eine Veränderung einzutreten. Nur wer sich antiquierten Persönlichkeiten entgegenstellt und für eine neue Politik streitet,  kann am Ende Erfolg haben. So ernüchternd der Parteitag auch gewesen sein mag – er ist nur Ansporn dafür weiter für eine Partei zu streiten, die sich wieder ihren grundsätzlichen Werten konsequent verpflichtet sieht und Anschluss an eine alternative Politik versucht zu finden, statt im Eiltempo vor dieser davon zu rennen.

Wer Emanzipation liebt,wird die #ldk142 nicht mögen – Bericht vom Grusel-Parteitag der Berliner Grünen

Die Grünen sind nicht mehr die Protestpartei, die sie einmal versucht haben zu sein. Deutlich wurde das auf der Landesdelegiertenkonferenz (LDK) der Grünen in Berlin vom letzten Wochenende. Zwar haben während der Rede von Cem Özdemir Mitglieder der Partei eine deutliche Protestaktion gewagt, allerdings kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass es am Ende der Konferenz nicht einmal dafür gereicht hat, das Verhalten von Kretschmann bei der Abstimmung im Bundesrat zum Asylkompromiss zu kritisieren. Aber der Reihe nach.

Polizeischutz vor der Grünen Versammlung. Dieser war allerdings ganz selbstständig vorgefahren // CC-BY-SA-NC greenythekid

Die Stimmung war bereits im Vorhinein angespannt. Vor dem Konferenzort hatten sich Polizeiwagen eingefunden, da die Berliner Polizei ein Potential für Störungen und Proteste von Außen befürchtete. Der Landesvorsitzende der Grünen Berlin machte später deutlich, dass die Einsatzkräfte nicht auf Wunsch oder Einladung der Partei vorgefahren waren. Dennoch blieben sie über fast die gesamte Zeit vor dem Versammlungsort. Aktivist*innen hatten auf der gegenüberliegenden Seite des Eingangs des Konferenzortes Grünen-kritische Plakate angebracht. Diese ließ die Parteispitze aber noch vor Beginn der Versammlung entfernen.

Als dann die Konferenz startete, übergaben die Landesvorsitzenden Aktivist*innen von alternativen Freiräumen das Mikrofon. Sie hatten vor dem Eingang der LDK Zettel verteilt, in denen sie das Verhalten des grünen Oberbürgermeisters von Freiburg kritisierten. Dieser hatte den Wagenplatz der dortigen Gruppe „Sand im Getriebe“ dicht gemacht und deren Bauwägen beschlagnahmt. Die Versammlung drückte den Aktivist*innen ihre Solidarität aus, die Aktivist*innen sammelten im Anschluss daran noch Unterschriften von den Delegierten ein.

Kurz nach dem Start der Konferenz bildete die Rede von Cem Özdemir den ersten Höhepunkt. Für mich lag das aber weniger an der Rede selbst, als an den Grünen Parteimitgliedern, die Flyer verteilten und anschließend, während Cem sprach, Schwarz-Grüne Luftballons zum Platzen brachten. Ausserdem entrollten sie direkt über der Bühne ein Transparent, mit dem sie den Asylkompromiss kritisierten. Mehr zu dieser Aktion findet ihr auf www.gruener-gegenwind.de.

https://twitter.com/gegenwind_gruen/status/520878952202924032

Am Ende der Rede bekam Cem statt Blumen eine Hanfpflanze geschenkt, was dann auch den Schlußpunkt von so etwas wie mutiger oder progressiver Politik auf der LDK bildete.

Jein zu Olympia – Wir wollen den Misserfolg mitgestalten

Mit Ausnahme dieser Aktionen war der Rest der Versammlung von großer Visionslosigkeit geprägt. Die Grünen verabschiedeten zwar einen umfangreichen und in meinen Augen kompetentes Antrag zur Bürger*innenbeteiligung, entfernten sich aber gleich darauf in der Olympia-Debatte von den Ansätzen einer emanzipatorischen Politik. Eine Mehrheit der Konferenz wollte eine Bewerbung nicht gänzlich ausschließen und definierte für sich Bedingungen, unter denen eine Olympia-Bewerbung Berlins stattfinden könne. Als Begründung für diese Entscheidung war vor allem die Angst formuliert worden, dass man keinen mitgestaltenden Einfluss mehr auf die Geschehnisse mehr nehmen könne, wenn man einer Bewerbung von vorneherein eine Absage erteilt. Tempelhof und Asylkompromiss scheinen der Partei immer noch nicht gezeigt zu haben, dass eine „Mitgestaltung“ ohne eine klare Haltung, noch dazu in Zusammenarbeit mit einer Großen Koalition, zwangsläufig zu einem Misserfolg führen müssen. Davon abgesehen, lässt sich mit einer Ablehnung natürlich sehr wohl auch noch Einfluss nehmen. Zum Einen in Zusammenarbeit mit den zivilgesellschaftlichen Gruppen der Stadt, die sich ebenfalls für ein Nein einsetzen und zum Anderen kann Kritik natürlich immer noch angebracht werden. Nur weil beispielsweise die Grünen von Anfang an die Atomkraft abgelehnt haben, konnten sie sich ja trotzdem an der Debatte um eine Endlagersuche beteiligen.

Die Entscheidung war aus meiner Sicht falsch. Die vergangenen Jahrzehnte haben mir gezeigt, dass das IOC keine Institution ist, der man Vertrauen schenken sollte.

Refugeeproteste: Bashen gegen Unterstützer*innen statt für Refugees zu kämpfen

Blick in die Versammlung: Refugeeproteste an sich gut finden, aber nur halbherzig unterstützen // CC-BY-SA-NC greenythekid

In der darauf folgenden Debatte zur Flüchtlingspolitik entfernten sich die Berliner Grünen noch weiter vom Standpunkt einer alternativen Politik. So war es der Versammlung außerordentlich wichtig darzustellen, dass der Refugeeprotest „von einigen Akteuren genutzt wird, um gegen den Staat und seine Institutionen zu agieren.“
Ganz ehrlich, ein Protest für Menschenrechte, die von staatlicher Seite gebrochen werden, ist im Kern bereits darauf angelegt, gegen den Staat und seine Institutionen zu agieren. Wer das nicht verstanden hat, hat das Wesen von Protesten nicht verstanden. Weiter heisst es: „Dabei entsteht der Eindruck, dass es einigen sogenannten „Unterstützern“ nicht um die Flüchtlinge geht. Mit grüner Politik hat das nichts zu tun. Für uns stehen die Menschen und ihre konkreten Bedürfnisse im Mittelpunkt.“
Es tut mir leid, aber die Grünen tun sich im aktuellen Protest nicht wirklich als Partei hervor, die den Protest oder die Refugees unterstützt. Auf der letzten BDK hatte sich die Partei eine Handvoll Refugees eingeladen. Unter Tränen erzählten sie ihre Geschichte. Ein paar Wochen später hatte es die Partei mitbewirkt, dass genau diese Refugees ihr eigenes Camp auf dem Oranienplatz abreissen. Wieder ein paar Wochen später hatte der Senat diese dann auf die Straße gesetzt. So richtig eingesetzt für die Refugees haben sich dann aus der Partei auch nur wenige. Augen auf, die Partei wird vom Protest und der in dieser Hinsicht interessierten Öffentlichkeit als Verräter*in der Proteste wahrgenommen, nicht als deren Unterstützer*in! Überlegt bitte, mit wem sich die Refugees treffen, mit wem sie reden und mit wem sie ihre Aktionen planen – ganz sicher nicht mit der grünen Partei, so sieht keine an die konkreten Bedürfnisse ausgerichtete Politik aus.
Und in einem Antrag, der Refugees supporten soll, noch einmal einen Seitenhieb gegen eine andere Gruppierung der Bewegung zu setzen, stellt definitiv keine Unterstützung für den Protest dar. So ist es dann auch nur konsequent, dass der Antrag sich nicht für den Protest ausspricht oder sich noch für dessen Ziele einsetzt. Monika Herrmann erklärt sogar unverblümt am Mikrofon, dass der Protest vorbei sei und Henkel niemals eine Anwendung des Paragraphen 23 umsetzen würde.

„Ich finde den ‚Kretschmann’schen‘ Kompromiss richtig“

Schwarz-Grün war zumindest symbolisch geplatzt. In den Reden lebte es aber leider weiter // CC-BY-SA-NC greenythekid

Dass sich dieser Eindruck leider auch mit der Parteistimmung deckt, zeigt dann auch die Debatte um den letzten Antrag. Die LAG Migration hatte eine Resolution als Reaktion auf den Asylkompromiss verfasst. Die Versammlung strich, nach hitziger Debatte, eine Passage im Text, in der Winfried Kretschmann für seine Entscheidung im Bundesrat kritisiert wurde. Die Begründung lautete, dass „der Winfried alles gibt“ und man seine Redlichkeit in der Asylpolitik nicht in Frage stellen sollte. Einzelne betonten sogar die Qualität der Entscheidung und fanden sie gut. „Ich muss auch sagen, dass ich den Kretschmann’schen Kompromiss auch aus Berliner Sicht richtig finde.“, wie zum Beispiel eine besonders prägnante konservative Figur der Landespartei sagte.

Herabwürdigender und arroganter kann eine Partei praktisch nicht mehr auf eine Protestbewegung und eine Zivilgesellschaft herablicken. Seit Monaten liefen Initativen und Protestgruppen gegen das Vorhaben Sturm, Gruppen von Sinti und Roma, als auch alle anderen Refugeegruppen. Wer an der Stelle meint, dass die Meinung der Betroffenen falsch sei, legt genau die chauvinistische Verhaltensweise an den Tag, gegen die die Grünen eigentlich mal zu Felde gezogen sind. Das ist nur noch unverschämt.

Fazit: Viel reaktionäre Politik, aber auch viel Raum für interventionistische Aktionen

Der Parteitag hat zumindest offen gezeigt, wie die Grenzen bei den Berliner Grünen verlaufen und wie die Verhältnisse verteilt sind. Reaktionäres Politikverständnis erfreut sich mehrheitlicher Beliebtheit in der Landespartei. Statt Mut zur Alternative zu zeigen, verkrochen sich die Delegierten hinter opportunistischen Entscheidungen und wenig kontroversen Inhalten. Wer sich die Grünen in Zukunft noch näher an CDU und SPD wünscht, konnte vom Landesparteitag voll zufrieden gestellt werden. Wer aber für einen Wandel in einer Gesellschaft streitet, in der immer noch unbeachtet Menschenrechte verletzt werden und chauvinistische Verhaltensmuster wie selbstverständlich gepflegt werden, der konnte von den Grünen an diesem Tag nur enttäuscht sein.

Es gilt die emanzipatorischen Kräfte in der Partei zu stärken und für eine Veränderung einzutreten. Nur wer sich antiquierten und selbstgerechten Persönlichkeiten entgegenstellt und für eine neue Politik streitet, kann am Ende Erfolg haben. So ernüchternd der Parteitag auch gewesen sein mag – er ist nur Ansporn dafür weiter für eine Partei zu streiten, die sich wieder ihren grundsätzlichen Werten konsequent verpflichtet sieht und Anschluss an eine alternative Politik versucht zu finden, statt im Eiltempo vor dieser davon zu rennen.

Fotos vom gestrigen Aktionsparteitag der Berliner Grünen

Klick auf das Foto um zum Album zu gelangen!

Cem Özdemir vor einem Protesttransparent, das grüne Mitglieder auf dem Parteitag aufgehangen haben // CC-BY-SA-NC greenythekid

Ihr habt Angst vor der Alternative!Reaktion zu konservativen Aussagen von Jarasch und Lux

Benedikt Lux fordert in Berlin eine Funkzellenabfrage um „linksextreme“ Straftäter zu verfolgen und die Landesvorsitzende der Berliner Grünen Bettina Jarasch erzählt freimundig, dass der Protest der Refugees keine „never-ending-story“ werden sollte und „linksextreme Aktivisten“ nichts mit grüner Politik zu tun haben. Zwei Aussagen, die in ihrem Mangel an kritischem Denken und fehlendem Engagement für alternative Politik auch von konservativen Politiker*innen von CDU und SPD hätten kommen können.

Benedikt Lux hält Funkzellenabfrage, also das Erfassen von Handys innerhalb einer Sendeanlage, für gerechtfertigt // C antifaschistisches Infoblatt

Lux bringt nicht nur eine höchst umstrittene Form der polizeilichen Überwachung ins Gespräch, sondern er versäumt auch zu erwähnen, dass nicht nur linke Steinewerfer Gewalt ausüben und archaischen Einfluss darauf nehmen wollen, wer in Berlin wohnt oder nicht. Es sind auch die Herren und Damen aus der Politik und dem Finanz- und Immobilienbereich, die mit der Gewalt des Stärkeren die Stadt an die Höchstbietenden verkaufen. Damit haben sie weit mehr Einfluss auf die Frage, wer in welchem Kiez wohnt und sich welche Wohnung leisten kann. Statt stumpf auf den Überwachungsstaat zu setzen, könnte Benedikt Lux oben angesprochene Punkte erwähnen und auf sozialen Frieden hinwirken – nicht auf eine polizeiliche Befriedung, die dann wieder auch nur mit Gewalt durchgesetzt wird.

Protestierende Refugees, kurz vor der Räumung im DGB-Haus.Für Jarasch waren die Proteste erfolgreich // CC greenythekid

Jarasch relativiert den Protest für Menschenrechte und stellt sein Ende als Erfolg dar. Dabei vergisst sie, dass die Ziele der Refugees sehr viel weitergehender waren, als die erreichten Minimalveränderungen auf Bundesebene. Sie gibt auch nicht zu, dass der Kampf immer noch nicht vorbei ist, immer noch jeden Tag Menschen im Mittelmeer sterben und die Bundesrepublik Deutschland immer noch nicht die Rechte von Geflüchteten garantiert. Sie versucht den Protest als erfolgreich abgeschlossen zu verkaufen, ganz so, als ob sie das Thema endlich loswerden möchte. Dabei braucht dieser Protest unbedingt weiterhin Unterstützung und keine vorgeschobene Anteilnahme, die versucht diesen Protest für beendet zu erklären.

Weder Lux noch Jarasch üben grundsätzliche Kritik oder formulieren alternative Handlungsmöglichkeiten. Haben sie einfach vergessen kritische Töne mit anzufügen? Wissen sie vielleicht gar nicht, wie eine nicht-konservative Politik funktioniert und dass es Alternativen zum konservativen Mainstream gibt? Die konservativen Ideen und Formulierungen von Lux und Jarasch führen im Endeffekt nur zu einem Ziel: Die Grüne Partei näher an die gesellschaftliche Mitte und damit an die SPD und die CDU zu führen. Konzepte und Forderungen der beiden Volksparteien übernehmen, dann gräbt man vielleicht ein paar Wählerschichten mit ab. Auf jeden Fall sollte niemand verschreckt werden.
Dabei sollte es doch eigentlich darum gehen, die gesellschaftliche Mitte hin zu grünen Ideen zu ziehen und nicht andersherum. Wozu gibt es das Grüne Grundsatzprogramm, wenn dann Einzelne doch nur die altbewährten Handlungs- und Ideenmodelle der Konservativen übernehmen? Ist es die Angst vor der Alternative, die Angst vor dem Risiko und dem Einstehen für Positionen, die nicht alle teilen?

Die Grünen müssen keine ökologische Kopie von SPD oder CDU werden. Sie müssten nur endlich mal wieder den Mut haben, sich für Alternativen in der Politik stark zu machen. Das kann aber erst dann funktionieren, wenn der Mut zum Neuen nicht mehr der Angst vor der zu niedrigen Prozentzahl am Wahlabend weicht.