Neue Broschüre zu rassistischer Justiz veröffentlicht

Gestern wurde im Ballhaus Naunystraße in Kreuzberg der Artikelband „Rassismus und Justiz“ veröffentlicht. Die Heinrich Böll Stiftung, der Migrationsrat Berlin und Brandenburg und die Rosa Luxemburg – Stiftung hatten nach einer Veranstaltungsreihe zum Thema Rassismus im Justizsystem verschiedene Autor*innen dazu eingeladen Artikel dazu zu verfassen. Herausgekommen ist ein fast 100 Seiten starker Band, der verschiedene Seiten eines Justizsystems darstellt, das in sich bereits rassistisch veranlagt zu sein scheint.

Die Studie ist kostenfrei über die daran beteiligten Institutionen zu beziehen oder steht hier zum Download zur Verfügung: http://www.migrationsrat.de/dokumente/pressemitteilungen/MRBB_Broschuere_Rassismus%20und%20Justiz.pdf

Passend dazu ruft ein Bündnis zu einer Demonstration gegen die Morde der NSU und das Versagen der Behörden bei der Bekämpfung dieser, bzw. sogar die Unterstützung bei den Straftaten, zu einer Demonstration diesen Samstag um 13.30 Uhr im Wedding auf!

Kostenlose Bild-Zeitung zum Mauerfall: Einfach mal die Zustellung untersagen

Am neunten November will die Bild erneut eine massenhafte Verteilungsaktion einer Gratis-Ausgabe ihre Blattes durchführen. An die 40 Millionen Exemplare werden am Tag des Mauerfalls auf diese Weise in den Briefkästen landen. Die Boulevard-Zeitung steigert somit neben den Werbeeinnahmen auch den Einfluss auf die werte Leser*innenschaft und verbreitert ihre Meinungsmache.

Ihr müsst den Anblick eines kostenloses Exemplars der Bild allerdings nicht in eurer Post ertragen. Ihr könnt eine Zustellung untersagen und entkommt damit den vier großen Buchstaben beim Öffnen eures Briefkastens. Außerdem brummt ihr dem Verlag Mehrkosten und -aufwand auf, da sie nun sicherstellen müssen, euch nicht zu beliefern.

Kopiert deshalb ganz schnell den nachfolgenden Text, schickt ihn an keinebildzummauerfall@bild.de und weist ganz vielen Menschen daraufhin, das genauso zu tun, denn je mehr Menschen die Zustellung untersagen, desto umständlicher und weniger lohnender wird es für die Bild:

Max Mustermann
Musterstraße 1
12345 Musterstadt

Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie haben für November 2014 die bundesweite kostenlose Verteilung einer „BILD zum Mauerfall“ angekündigt. Hiermit untersage ich der Axel Springer SE, ihren Tochtergesellschaften, Beauftragten und anderen Vertragspartnern ausdrücklich, mir an die oben genannte Anschrift „BILD zum Mauerfall“ (auch nicht als Bestandteil einer anderen Publikation) zuzustellen oder in den Briefkasten einzulegen oder durch Dritte zustellen oder in den Briefkasten einlegen zu lassen. Ferner untersage ich Ihnen ausdrücklich, meine persönlichen Daten zu einem anderen Zwecke zu verwenden, als es für die logistische Umsetzung des hier ausgesprochenen Zustellverbotes sowie der Vermeidung von Missbrauch zwingend notwendig ist, und fordere Sie auf, anschließend sämtliche Daten umgehend und restlos zu löschen.

Wenn ihr dem Bildblog dabei helfen wollt, eine Statistik darüber anzufertigen, wieviele Menschen die Zustellung untersagt haben, setzt in das „Kopie an“-Feld doch deren E-Mail-Adresse: keinebild bildblog de

Für Grüne ist das Leben von Schweinen nur Vorstufe zu ihrer Bestimmung als Würstchen

Auf der Facebook-Seite des Bundesverbandes der Grünen Partei prankt ein großes Banner. Darauf zu sehen sind ein paar junge Schweine, darüber ein Spruch: „Für ein Leben vor dem Würstchen“.

LebenvorWürstchenFB
Wahrscheinlich soll dieses Banner Werbung für eine artgemäße Haltung von Nutztieren machen und wahrscheinlich auch dafür, dass Tiere nicht nur Stückgüter sind, die produziert, gelagert und verarbeitet werden. Tatsächlich aber sagt es genau das: Das Leben von Schweinen ist nur eine Vorstufe zu ihrer eigentlichen Bestimmung, dem „Sein“ als Würtstchen.
Schweine werden nicht als Individuen wahrgenommen, die sie unverkennbar sind, sondern als Produktionsmittel, das früher oder später eben verwurstet gehören. Wir erlauben ihnen zwar vorher ein richtiges Leben zu haben und bringen sie erst dann um, verarbeiten sie zu Würstchen und essen sie auf, aber im Endeffekt betrachten wir Schweine genauso als zu verarbeitende Ware, wie alle anderen auch.

Dass die meisten Grüne so schon immer gedacht und gelebt haben, ist an sich schon nicht cool. Dass die Grünen aber so unverhohlen Lebewesen zur essbaren Ware degradieren und damit auch noch Werbung machen ist selbst für eine ökologische Fleischkonsum-Partei starker Tobak. Es zeigt nur wie weit entfernt sich die Grüne Partei davon befindet, Tiere als fühlende Individuen zu betrachten.

Wir brauchen gar nicht erst lange in Fachliteratur oder sonstigen Publikationen zu suchen, um dem etwas entgegenzusetzen. Es reicht ein Blick in das aktuelle Grundsatzprogramm der Partei. In diesem heisst es nämlich auf Seite 40:

tierebrauchen

Wie passt das denn jetzt mit dem oben abgebildeten Banner zusammen? Genau, gar nicht.

Die Gesellschaft schlägt zurück: Wie Berlin die Refugeeproteste bekämpft

Ignoriert, betrogen, abgewickelt: Die deutsche Gesellschaft ist in der Mehrheit genau so mit den heimischen Protesten der Refugees umgegangen, wie sie es anderen Gesellschaften gerne zum Vorwurf macht. Statt sich mit den Protestierenden auseinanderzusetzen und die hiesige Lage der Menschenrechte zu hinterfragen, wurden die protestierenden Refugees als Betrüger, Störenfriede und Kriminelle diffamiert. Aktuell versucht das Land Berlin den Schlußpunkt unter drei Jahre Protest zu setzen.

Refugee wird von der Polizei bei der Räumung des DGB-Hauses abgeführt // C Erik Marquardt

Heute setzt das Land Berlin wieder mehr als 100 Refugees, die Teil des Protestes gewesen waren, aus ihren Unterkünften direkt auf die Straße. Sie hatten auf das Wort vertraut, das ihnen im Frühjahr mit der Oranienplatz-Vereinbarung gegeben worden war: wohlwollende Einzelfallprüfung ihrer Asylanträge. Jetzt sollen sie aus ihren Unterkünften in Spandau, Marienfelde, am Kaiserdamm und der Gürtelstraße von einem Tag auf den anderen das Land Berlin verlassen. Sie bekommen keine Möglichkeit, sich einen Plan zu machen oder sich vorzubereiten, sie sollen nur verschwinden. Bei Widerstand setzt die Polizei Gewalt ein.

Offiziell sollen sie zurück in die Bundesländer oder EU-Staaten, in denen sie ihre Asylanträge zuerst gestellt hatten. Inoffiziell ist es egal wohin sie gehen, hauptsache sie gehen. Nachdem der Refugeeprotest in das vierte Jahr in der Hauptstadt gestartet war, schlägt Berlin nun mit voller Härte zurück und versucht sich seiner protestierenden Gäste vollständig zu entledigen.

Im August sollten bereits die ersten über 100 Refugees, die unter die Vereinbarung vom Oranienplatz gefallen waren, Berlin verlassen. Knapp die Hälfte von ihnen hat bis heute nach der Besetzung einer Kirche in Unterkünften der Gemeinde Schutz finden können. Für die Refugees, die heute ihre Unterkünfte verlieren, werden innerhalb der Unterstützer*innen-Szene Schlafplätze gesucht, vom Staat können sie keine Hilfe erwarten.

Gesellschaft bekämpft Bewegung…

Der Refugeeprotest ist aktuell ungeordnet und kämpft um sein Überleben. Der deutsche Staat und seine Gesellschaft haben es geschafft, den hiesigen Protest für Menschenrechte in die Defensive zu drängen und seine Akteur*innen praktisch außer Gefecht zu setzen. Statt in Plena über Demonstrationen, politische Aktionen oder Vernetzung mit anderen Akteur*innen zu reden, müssen unter chaotischen Zuständen Schlafplätze vermittelt, Beratungsangebote gestellt oder überhaupt erst einmal der aktuelle Informationsstand festgestellt werden.

Wir müssen nicht erst nach Hongkong, Russland oder andere Staaten schauen, um uns über Verletzungen der Menschenrechte zu beschweren. Wir können unseren Blick in Deutschland lassen und sehen, wie Proteste für Grundrechte systematisch von einer Gesellschaft bekämpft werden. Dabei ist es auch egal, ob es sich um die deutsche Bundesregierung, den Berliner Senat, den deutschen Gewerkschaftsbund oder die Grüne Partei handelt – alle ließen sie die Proteste unbeachtet oder räumten sogar ihre Akteur*innen mithilfe der Polizei.

Demonstration vom Oranienplatz durch Berlin im Frühjahr 2013 // CC-BY 2.0 Flickr.com/ Libertinus

..am Oranienplatz…

Über drei Jahre hatten Refugees in Berlin für ihre Grundrechte protestiert. Vom besetzen Oranienplatz aus gingen viele Aktionen und Demonstrationen aus. Nachdem es von der Politik, ausser vom Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg, überhaupt kein Zukommen auf die Proteste gegeben hatte und nur halbherzige Gesprächsangebote gemacht wurden, ging der Bewegung langsam die Luft aus. Daraufhin schlugen die staatlichen Institutionen zu und erkauften sich einen Schwindel mit einem Teil der Refugees. Diese bauten anschließend auf eigene Faust und gegen den anderen Teil der Bewegung das Camp auf dem Oranienplatz ab. Damit wurde der Protest erstmalig entzweit und nachhaltig geschwächt.

…und alle machen mit

Anschließend folgte die Schule: mit einem enormen Polizeiaufgebot versuchte der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg dem Wohnen dort ein Ende zu setzen und alle dort Lebenden in Unterkünfte des Senats zu vermitteln. 45 Refugees blieben in der Schule und erstritten eine erneute Vereinbarung, die ihnen das Recht im Gebäude zu bleiben, zusicherte. Der Großteil verließ aber die Schule und kam in staatlichen Unterkünften unter. Aus diesen schmeisst sie das Land Berlin nun raus. Ende des Monats sollen dann auch die bisher verbliebenen Refugees in der Ohlauer die Gerhart-Hauptmann-Schule verlassen haben, sonst rücken erneut Polizeikräfte zur Räumung an. Auch bei allen anderen Aktionen der Refugees blieb die Reaktion aus oder sie wurden von den Einsatzkräften festgenommen. Ob bei der Besetzung des DGB-Hauses, der Gedächtniskirche, vor dem Brandenburger Tor oder dem Fernsehtum – alle legten den Refugees Steine in den Weg und ließen sie räumen. Nur die evangelische Kirche in Kreuzberg hatte eine Verhandlungslösung gefunden und hält sich bis heute dran. Alle anderen wirkten daran mit, dass der Protest zerstört wurde.

Der Aufschrei bleibt aus

Der Aufschrei bleibt allerdings aus. Klammheimlich wurde der Protest für Menschenrechte zuerst ignoriert, dann betrogen und nun abgewickelt. Die deutsche Gesellschaft rechnet mit denen ab, denen es nicht zugestanden wird, für sich selbst Gerechtigkeit zu erstreiten. Refugees bleiben Menschen zweiter Klasse, die abgeschoben, eingesperrt und missbraucht werden können. Ein demokratischer Staat, der die Menschenrechte achtet und sich für Minderheiten einsetzt, hätte gehandelt und sich konstruktiv mit den Protesten auseinandergesetzt und sie nicht einfach abgefertigt. Alle gesellschaftlichen Institutionen müssen sich gefallen lassen, dass sie vor dem Risiko, sich für eine marginalisierte Gruppe einzusetzen, gekuscht haben. Alle wollten lieber an dem Status quo und ihrer privilegierten Stellung festhalten, statt sich für Menschenrechte einzusetzen. Es ist eine Schande.

Aktuell werden für alle Refugees Schlafplätze gesucht! Bitte meldet euch über das Kontaktformular oder die Telefonnumer, die, sobald wie möglich, hier und über die anderen Kanäle veröffentlicht wird.

Erneut setzt der Senat Refugees auf die Straße: Kurzbesuch bei Richard in der Gürtelstraße

85 Refugees, die sich von der Vereinbarung vom Oranienplatz ein Bleiberecht erhofft hatten, haben heute die Mitteilung bekommen, ihre Unterkünfte und das Land Berlin verlassen zu müssen. So wie Richard stehen sie damit praktisch vor dem Nichts. Ein Kurzbesuch in der Gürtelstraße.

Richard vor seiner Unterkunft in der Gürtelstraße // CC-BY-SA-NC greenythekid

Richard vor seiner Unterkunft in der Gürtelstraße // CC-BY-SA-NC greenythekid

Richard steht vor seiner Unterkunft in der Gürtelstraße in Friedrichshain und weiß nicht mehr weiter. „Ich habe keinen Plan, keine Möglichkeit, nichts.“, sagt er.  Nach langer Flucht und einer schwierigen Zeit während der Proteste in Berlin hatte er gehofft, durch die Vereinbarung vom Oranienplatz ein Bleiberecht in Deutschland bekommen zu können. Diese Hoffnung wurde diesen Nachmittag durch die Nachricht zerstört, dass er Berlin innerhalb der nächsten 24 Stunden verlassen soll. Mündlich, nichts Schriftliches und kaum Zeit seine Sachen zu packen oder zu planen, wie es nun weitergehen soll. Mit ihm stehen 84 weitere Refugees in den Unterkünften in Spandau und Marienfelde vor dem Nichts.

„Die Mitarbeiter von der Unterkunft kamen zu uns und haben es einfach zugerufen.“, sagt Richard. „Wir wissen nicht wieso wir gehen sollen und niemand will uns sagen wohin.“
Laut Auskunft durch die Berliner Sozialverwaltung sollen die Refugges dorthin zurück, wo sie ihren Asylantrag zuerst gestellt hatten. In Richards Fall bedeutet diese Aufforderung, dass er zurück nach Italien solle. Da ihm der italienische Staat allerdings bereits signalisierte, dass er kein Aufenthaltsrecht dort zu erwarten hätte, steht er praktisch vor dem Nichts.

Heutige Pressekonferenz an der Ohlauer: „Wir werden kämpfen.“ // CC-BY-SA-NC greenythekid

Vor sieben Monaten hatte er sein Heimatland Togo verlassen müssen. Als Anhänger der Opposition war er ständigen Drangsalierungen durch die Regierung ausgesetzt und nachdem er deshalb seinen Job als Reinigungskraft verlor, beschloss er das Land zu verlassen. Er floh zuerst durch das sich im Bürgerkrieg befindliche Lybien und anschließend über das Mittelmeer, bevor er auf der italienischen Insel Lampedusa landete und mit einem Schengen-Visum nach Deutschland kam.

In Berlin beteiligte er sich an den Protesten auf dem Oranienplatz und vertraute auf die Vereinbarung, die Senat, Bezirk und Vertetende der Refugees ausgehandelt hatten und hoffte auf ein Bleiberecht. Nun wird er de facto auf die Straße gesetzt. Ohne irgendeine Perspektive zu haben, ohne Hilfe von staatlicher Seite oder der deutschen Gesellschaft erwarten zu können.

Morgen um 10 Uhr wird es ein Vernetzungstreffen für alle geben, die von der Auszugsaufforderung betroffen sind und alle, die gemeinsam überlegen wollen, wie sie unterstützt werden können.

Nach Aktionen gegen die Grüne Woche: Erste Prozesse eingestellt,Protest geht im Gerichtsaal weiter

Anfang des Jahres hatten Aktivist*innen der Kampagne „Grüne Woche demaskieren“ verschiedene Aktionen am Rande und auf dem Gelände der Grünen Woche veranstaltet. Ein halbes Jahr später begannen die ersten Prozesse wegen Hausfriedensbruch, die ersten beiden wurden nun gegen die Auflage von Arbeitsstunden eingestellt. Im letzten Prozess zeigte sich, dass der Protest gegen die Messe, nicht mit den Anklagen endet, sondern im Gerichtssaal weitergeht.

Eines der Großtransparente auf dem Gelände der Grünen Woche 2014 // CC gruene-woche-demaskieren.de

Aktivist*innen hatten Anfang des Jahres neben den legalen Protesten vor dem Messegelände auch weniger legale auf dem Veranstaltungsort der Grünen Woche selbst organisiert. Insgesamt drei Großtransparente hängten die Aktivist*innen unter teils waghalsigen Klettermannövern ausserhalb der Messehallen und eines in der Halle mit dem so genannten Erlebnisbauernhof auf. Der ansässige Sicherheitsdienst schritt bei allen Aktionen teilweise recht rigoros ein und schaffte die Protestierenden mit Hilfe der Polizei fort. Die Messegesellschaft stellte Strafanzeigen wegen Hausfriedensbruchs gegen die Aktivist*innen, die zu Strafbefehlen mit Geldstrafen in jeweils dreistelligen Höhen führten. Die Strafbefehle wurden von den Angeklagten jedoch nicht akzeptiert, weshalb es zu bisher zwei Verhandlungen kam und noch zu mehreren führen wird.

Zwei der Anklagen, die letzte am heutigen Tag, wurden gegen die Auflagen von jeweils neunzig Arbeitsstunden eingestellt. Die Angeklagten zeigten sich zufrieden, die Richter*innen und die Staatsanwaltschaft ebenfalls. Offenbar wollten sie nicht weiter soviel Zeit für Bagatellfälle investieren, denn gerade der letzte Prozess zog sich dank der vielen und teilweise bizarren Anträge von der angeklagten Seite aus, stark in die Länge.

Abschiedsbotschaften an der Saaltür: Prozesse als weiterführender Protest // CC-BY-SA-NC greenythekid

Abschiedsbotschaften an der Saaltür: Prozesse als weiterführender Protest // CC-BY-SA-NC greenythekid

So beantragte die Angeklagte beispielsweise, dass das Gericht in Erfahrung bringen sollte, was mit einer Unterstützerin passiert war, die des Gerichtssaals verwiesen wurde. In dem dazugehörigen Antrag wollte die Angeklagte ausschließen, dass die Unterstützerin in einem „verfließten Verließ oder Kerker“ festgehalten werden könne. Hervorstechen konnte auch das Verhör, mit dem sie den einzig erschienem Zeugen überzog. Präzise wollte sie von diesem die Umstände in Erfahrung bringen, unter denen die Aktivist*innen von dem Sicherheitsdienst angegangen worden war, fragte nach Namen von Kollegen und der Art, wie das Sicherheitsunternehmen Gegenbauer geführt wurde und ob es öfter zu gewalttätigen Übergriffen von Mitarbeiter*innen der Firma kommen würde. Staatsanwaltschaft und Richter versuchten vergeblich, dem ausgiebigen Ausfragen ein Ende zu bereiten.

Der Eindruck verfestigte sich, dass die angeklagte Seite den Prozess als verlängerten Aktionsradius betrachtete. Motto: „Die Grüne Woche ist das Problem, nicht der Protest dagegen“. Demnach seien auch Anklagen wegen Hausfriedensbruch politische Repression, der es entgegenzutreten gilt. Die Verteidigung hatte aus diesem Grund auch kein regulärer Anwalt, sondern ein anderer Politikaktivist als Laienverteidiger übernommen.

Protest gegen den ersten Prozess vor dem Gericht in Moabit // CC-BY-SA-NC greenythekid

Protest gegen den ersten Prozess vor dem Gericht in Moabit // CC-BY-SA-NC greenythekid

So ist es auch nicht verwunderlich, dass bei allen bisherigern Prozessen auch immer circa ein Dutzend Aktivist*innen mit vor Ort war und die jeweils Angeklagten mit Kundgebungen vor dem Gerichtssaal und kleineren Störaktionen während des Prozesses unterstützten. Mal niesten sie provokant, kommentierten die Geschehnisse im Prozess oder warfen sogar Papierflieger mit politischen Botschaften in den Saal.

In nicht einmal einem halben Jahr wird erneut die Grüne Woche in Berlin abgehalten. Die Kampagne „Grüne Woche demaskieren“ hat bereits jetzt schon zu Aktionen aufgerufen und Veranstaltungen angekündigt. Eins ist sicher, Anzeigen wegen Hausfriedensbruch werden die Aktivist*innen von ihrem Vorhaben für eine nachhaltigere und gerechtere Landwirtschaft zu streiten, nicht abbringen.

Protest trifft Partei – Besuch von Refugee-Demo bei Grünen Xhain

Zwei der Refugees beraten sich vor der Versammlungsleitung // CC-BY-SA-NC greenythekid

Zwei der Refugees beraten sich vor der Versammlungsleitung (Handyaufnahme) // CC-BY-SA-NC greenythekid

Gestern hielten die Grünen Friedrichshain-Kreuzberg ihre Sonder-Mitgliederversammlung ab, auf der die Zukunft der Gerhart-Hauptmann-Schule besprochen werden sollte. Zu Anfang gaben Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann und Bezirksstadträting Jana Borkamp fast eine Stunde lang Erklärungen zu den Ereignissen rund um den Oranienplatz und die Schule ab und erläuterten die gegenwärtigen Bedingungen. Anschließend vermengte sich die Frage- mit der Diskussionsrunde, eine klare Haltung der Bezirksgruppe zur Schule ließ sich nicht erkennen.

Gegen 22 Uhr erschien dann eine Demonstration vor dem Ort der Versammlung. Anlass dafür war die Festnahme eines Refugees am Nachmittag aus der Schule, die Demonstrierenden verlangten dessen Freilassung. Ein paar Refugees und Unterstützende gelangten in die Versammlung, der Großteil blieb davor und skandierte Parolen und Sprüche. Die Polizei sicherte den Eingang zum Versammlungsort.

Refugee spricht zur Bezirksgruppe // CC-BY-SA-NC greenythekid

Refugee spricht zur Bezirksgruppe (Handyaufnahme) // CC-BY-SA-NC greenythekid

Die Grünen übergaben einem Refugee das Mikrofon, dieser erzählte von der Festnahme und bat um Unterstützung. „Wir sind nicht hier um Ärger zu machen, wir sind keine Kriminellen.“, sagte er vor der Versammlung. Anschließend erläuterte die grüne Abgeordnete aus dem Abgeordnetenhaus Canan Bayram die Hintergründe der Festnahme und berichtete von ihrem Gespräch mit der Polizei. Diese habe ihr mitgeteilt, dass der Refugee am heutigen Tage wieder freigelassen werden soll. Danach ging die Debatte, teilweise mit harten Wortgefechten, weiter.

Es war das erste Mal, dass Refugees, Unterstützende und die Mitglieder der Partei zusammen gesessen haben. Es war das erste Mal, dass nicht nur Mitglieder aus dem Bezirksamt, des Gemeinsamen Ausschusses oder der Bezirksverordnetenversammlung des Kreisverbandes sich mit den Menschen aus der Schule unterhielten, sondern auch Mitglieder aus der Basis. Anwesende Refugees und Unterstützende verhielten sich die gesamte Zeit über ruhig und unterbrachen die Sitzung an keiner Stelle.

Canan Bayram erläutert das Gespräch mit der Polizei // CC-BY-SA-NC greenythekid

Canan Bayram erläutert das Gespräch mit der Polizei (Handyaufnahme) // CC-BY-SA-NC greenythekid

Erst als Monika Herrmann auf Nachfrage hin das aktuelle Besuchsverbot in der Schule untermauerte, verließen Refugees und Unterstützende die Versammlung. Einzelne Grüne brachten einen Mediationsprozess und eine extra Arbeitsgemeinschaft des Kreisverbandes für die Ohlauer zur Sprache, andere wiederum forderten konsequent, dass die Schule leer sein soll. Am Ende der Sitzung diskutierten Grüne und Unterstützende vor dem Ort weiter, es wurde ab und an laut, insgesamt blieb es aber respektvoll.

Blick in die Versammlung // CC-BY-SA-NC greenythekid

Blick in die Versammlung // CC-BY-SA-NC greenythekid

Ich wünsche mir, dass von den Grünen mehr und breiter angelegte Impulse Richtung Refugeeprotest ausgehen und wieder mehr Unterstützung gezeigt wird. Es braucht auch wieder mehr Mut, ungewöhnliche Entscheidungen zu treffen und Ideen zu entwickeln – ungewöhnliche Maßnahmen benötigen ungewöhnliche Entscheidungen.
Allerdings sind auch die Landespartei und andere Bezirke gefragt – das Engagement kann nicht bei einem einzelnen Kreisverband hängen bleiben, es braucht die gesamte Partei dazu. So wie die Debatte in der Kirche und nun auch bei den Gewerkschaften angekommen ist, so sollte es in die Grüne Partei hineingetragen werden, sonst sind alle Beschlüsse bloße Makulatur. Mit mehr Engagement lassen sich die rückwärtsgewandten Entscheidungen von der letzten LDK in Berlin vielleicht auch wieder gut machen.
Ich wünsche mir aber auch von Protestseite mehr Bereitschaft zu Kompromissen. Statt den Druck einseitig auf Grüne und den Bezirk abzuladen, wie ich es selbst auch getan habe, sollten wieder vermehrt die in den Blick genommen werden, die wirklich daran Interesse haben, dass die Zustände so bleiben, wie sie sind: Henkel und seine CDU und eine rechtslastige SPD. Deshalb zusammenkommen, zusammen überlegen und gemeinsam kämpfen!